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Bio-Brennerei Gramminger

Bio in Serie - Der Geist der Handwerkskunst weht von den Hügeln des Tachinger Sees

Projekte: Bio - direkt vom Bauernhof, Öffentlichkeitsarbeit, Streuobst und Artenschutz
Der Hausherr erläutert bei einem Rundgang die Bestandteile und die Funktionsweise seiner neuen Kleinbrennerei aus Edelstahl und Kupfer der Firma Arnold Holstein und erklärt gerade, wozu die Brennblase da ist.
Der Hausherr erläutert bei einem Rundgang die Bestandteile und die Funktionsweise seiner neuen Kleinbrennerei aus Edelstahl und Kupfer der Firma Arnold Holstein und erklärt gerade, wozu die Brennblase da ist.
© Anneliese Caruso
«Am Schnapsbrennen faszinierte mich von Anfang an die Herausforderung, die verschiedensten Kompetenzen von chemischem, technischem und biologischem Wissen zu vereinen. Aus hochwertigem Obst das Aroma einzufangen und daraus edle Produkte zu erzeugen“, sagt Diplom Agrarwirt Franz Gramminger. Zusammen mit seiner Frau Hannah führt er nicht nur einen landwirtschaftlichen Betrieb samt Urlaubsbauernhof mit bis zu 45 Gästen gleichzeitig, sondern auch eine Destillerie, und zwar mittlerweile schon in dritter Generation. Im Jahr 2019 übernahmen ihn die beiden von Franz´ Eltern, Roswitha und Franz Gramminger, die auch noch unentwegt tatkräftig mithelfen und ihr Wissen weitergeben. Denn gebrannt wird auf dem Sailerhof schon seit 1971. Damals erwarb der 1922 geborene Hofeigentümer Franz Gramminger das Brennrecht und startete mit vier verschiedenen Sorten an Bränden. Mittlerweile ist es das Zehnfache.

Seit 2019 ist die Brennerei als ökologisch arbeitender Betrieb anerkannt und entsprechend zertifiziert. Die Streuobstgärten der Familie mit den etwa 80 alten und jungen Streuobstbäumen an den Hügeln des Tachinger Sees, die ebenfalls bio-zertifiziert sind, liefern aber nur einen Teil der Grundlage für die Brände, Geiste oder Liköre, der andere Teil kommt von vielen Streuobstbesitzern aus der Region. „Im Herbst 2019 brannten wir das erste Mal in Bioqualität. Apfel und Birne als Obstler, reinen Apfelbrand und Zwetschgenbrand. Verkauft ist davon aber noch nichts. Wie alle Brände von Gramminger gehen auch die neuen Bio-Obstbrände erst nach zweijähriger Fassreifung in den Verkauf. Durch die Fassreifung bilden die Brände ein angenehmeres und weicheres Aroma.“ In Flaschen füllt man sie dann heuer im Herbst ab.

Aufmerksam geworden sei er auf die Obst-Bio-Zertifizierung durch die Ökomodellregion Waginger See- Rupertiwinkel, die mit dem Landschaftspflegeverband Traunstein zusammenarbeitet, damit es bessere Verarbeitungsmöglichkeiten für Bio-Obst gibt und sich die Wertschöpfung und damit auch die Wertschätzung für Streuobst aus heimischem Anbau erhöht.

Beim Landschaftspflegeverband Traunstein (LPV) gebe es die Möglichkeit, die eigene Obstwiese biozertifizieren zulassen und sich dazu an einer Sammelzertifizierung der Obstwiesenbesitzer zu beteiligen. Das Angebot gelte für konventionelle Landwirte, die nur ihren Obstgarten nach Biorichtlinien bestellen möchten – Biobetriebe könnten ihren Obstgarten jederzeit über ihre Kontrollstelle zertifizieren lassen. Die Einhaltung der Biokriterien stelle für die meisten Streuobstwiesenbesitzer keine große Hürde dar, meinte Gramminger während einer Führung durch die neu gebaute und einladend wirkende Schaubrennerei mit der kupfernen Destillieranlage in einem höchst repräsentativen Verkaufsraum mit historischem Gewölbe, in dem er demnächst seine Destillerien auch ansprechend präsentieren und verkaufen möchte. Einen kleinen Eindruck davon kann man sich schon jetzt durch das große Panorama-Fenster am Gebäude machen.

Auf Grammingers Streuobstwiesen gedeihen regionale Apfel-, Zwetschgen- und Birnensorten. Darunter viele alte Streuobstsorten wie der Winterapfel „Boskop“, die robuste Tafelbirne „Gute Graue“ oder die „Wangenheimer Frühzwetschge“. Da sein Obst nicht ausreicht, freuen sich Franz und Hannah Gramminger über alle Erzeuger aus der Region, die sich die Mühe machen und sie mit zusätzlichem Rohstoff versorgen. „Darüber hinaus wäre es schön, wenn wir noch weitere Lieferanten fänden, damit wir mehr sortenreine Destillate brennen können. Für sortenreine Brände brauchen wir mindestens 150 kg von der gleichen Obstsorte. Wir achten natürlich sorgfältig darauf, dass wir die Früchte in Tafelqualität verwenden. Die Obstqualität ist ein alles entscheidendes Kriterium“. Beim Brennen wolle er möglichst das volle Aroma der Frucht in die Hochprozentigen bringen.

Wie er dabei vorgeht, dürfen seine Gäste bei den Brennerei-Führungen aktiv miterleben. Sie erleben hautnah, wie Gramminger einmaischt und die alkoholhaltige Maische nach mehrwöchiger kontrollierter Vergärung destilliert. Die genaue Steuerung des Destillationsvorgangs sei entscheidend für die Qualität der Erzeugnisse, erzählt Gramminger. Er steht vor der neuen zimmerhohen Anlage mit einem dicken Kessel, der bis zu 77 Liter Maische fasst, darum herum ein Gewirr aus Rohren, Leitungen und Ventilen. Temperatur und Druck müssten immer stimmen, es dürfe nicht zu schnell gehen. „Sonst hat man am Ende viel Alkohol und wenig Aroma“, erklärt der Experte, der die Brennerei in der „heißen Phase“ nicht aus den Augen lässt.

Deshalb sollte der Besucher, der beim Schaubrennen eine echte Vorstellung bekommt, was Schnapsbrennen wirklich bedeutet und wieviel Arbeit zum Beispiel hinter einem Vogelbeerschnaps steckt, schon etwas Zeit mitbringen, da der reine Brennvorgang etwa drei bis vier Stunden dauert. „Auch wenn man überlegt, wie viel Zeit man schon fürs Pflücken, Reinigen und Rebeln braucht.“ Um diese Zeit bis zur Verkostung etwas zu verkürzen, lässt Gramminger eine deftige Brotzeit servieren, unterhält seine Gäste mit kurzweiligen Geschichten und weiht in die Geheimnisse des Brennens ein. Erst dann geht er zum andächtigen Verkosten der Destillate über.

„Dass ich hier mit viel Leidenschaft arbeite, soll mit allen Sinnen spürbar sein.“ Daher möchte er auch in absehbarer Zeit die Ausbildung zum Edelbrand-Sommelier beginnen. Ein Edelbrandsommelier kenne sich mit Spirituosen aus und könne Qualitäts-Unterschiede nur Kraft des eigenen Riech- und Geschmacksorgans herausfinden. Als Edelbrand-Sommelier könne er einen noch wertvolleren Beitrag zur Bewirtschaftung und Pflege von Streuobstwiesen leisten, die dem Erhalt der heimischen Kulturlandschaft dienen, zeigte sich Franz Gramminger abschließend überzeugt.

Kontakt zum Sailerhof der Familie Gramminger: Mauerham 3, 83373 Taching am See
E-Mail: fgramminger@t-online.de, Tel.: 086 87/ 2 17

Seit 2018 ist es möglich, seine Streuobstwiese oder die Obstbäume über den Landschaftspflegeverband Traunstein (LPV) bio-zertifizieren zu lassen. Vorteil ist ein deutlich höherer Abnahmepreis durch die Kelterei, Brennerei oder Ölmühle, bei geringen Kosten und wenig bürokratischem Aufwand für die Bio-Zertifizierung. Zertifiziert werden können alle Baumobstarten, auf Wunsch aber auch nur Kernobst. Interessenten können sich direkt an den LPV wenden.
Den Erhalt unseres Kulturgutes Obstwiese unterstützt der LPV darüber hinaus durch die Möglichkeit geförderter Baumpflanzungen zur Ergänzung oder Neuanlage von Streuobstwiesen (ab acht Bäumen). Ebenso wird der Schnitt alter Obstbäume übernommen, um diese vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren. Für geförderte Obstbaumpflanzungen im Herbst dieses Jahres können sich Interessenten noch bis Mitte Juni beim LPV melden:

Landschaftspflegeverband TS, Tel. 0861 - 58 539, Mail: sandner.lpv@traunstein.bayern
Interessenten aus der Ökomodellregion können sich auch gern im Büro im Rathaus in Waging melden, unter 08681/ 4005-37 oder Mail an oekomodellregion@waging.de .


Ein Artikel aus der Reihe „Bio in Serie“ aus der Südostbayerische Rundschau vom 29.05.2021 von Anneliese Caruso
30 Prozent Biolandbau - das ist seit 2019 gesetzlich festgelegtes Ziel der Bayerischen Staatsregierung. Die 27 Ökomodellregionen auf einem Viertel der bayerischen Gemeindefläche sind dafür ein wichtiges Instrument. In loser Folge stellen wir Betriebe aus der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel vor, die sich bereits auf den Weg gemacht haben und sich für eine besonders nachhaltige Wirtschaftsweise einsetzen. Die erste bayerische Modellregion zeichnet sich laut eigener Aussage durch vielfältige Netzwerke für mehr Bioanbau und -verarbeitung aus, verfolgt aber auch gemeinsame ökologische Projekte mit allen Landwirten und den Gemeinden. Mehr Infos dazu gibt es unter www.oekomodellregionen.bayern.

Bisher erschienene Beiträge bei „Bio in Serie“:
(1) Der bayerische Senfbauer, Hofporträt Andreas Maier, Tittmoning (Lisa Schuhegger)
(2) Ein außerordentliches Ziegenleben, Hofporträt Fam. Obermaier, Fridolfing (Ramona Oswald)
(3) Die Natur ist verdammt ehrlich, Hofporträt Fam. Praxenthaler, Fridolfing (D. Englschallinger)
(4) Leben im eigenen Ökosystem, Hofporträt Fam. Winkler, Tittmoning (Dorothee Englschallinger)
(5) Den Verbrauchern zeigen, wo das Essen herkommt, Hofporträt Peter Forster, Laufen (Dorothee Englschallinger)
(6) Ökologische Wirtschaftsweise fühlt sich stimmig an, Hofporträt Fam. Streitwieser, Surheim (Karin Kleinert)
(7) Der Getreide-König, Hofporträt Franz Obermeyer, Tengling (Anneliese Caruso)
(8) Wie es mit Bio "etwas werden könnte", Hofporträt Johann Heinz jun. und Christina Frangen, Gausburg (Karin Kleinert)
(9) Alles richtig gemacht, Hofporträt Hans Englschallinger, Kay (Dorothee Englschallinger)
(10) Einen eigenen Weg gefunden, Hofporträt Sebastian Kettenberger, Törring (Ralf Enzensberger)
(11) Glied zwischen Biobauer und Verbraucher, Porträt Hermann Braunsperger, Laufen (Karin Kleinert)
(12) Dieser Hühnerstall ist das Gelbe vom Ei, Hofporträt Franziska und Christian Böhnke, Saaldorf-Surheim (Lisa Schuhegger)
(13) Bio-Brennerei Gramminger, Hoforträt Franz Gramminger, Taching (Anneliese Caruso)
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