Zum Inhalt springen

Zeit für einen naturnahen Garten: So erschaffen Sie ein Naturparadies!

Expertin aus der Region gibt Tipps

Naturnaher Garten.
Naturnaher Garten.
© Anneliese Caruso
Wer einen Garten hat, ist derzeit gut beschäftigt. Das Grün will bereit gemacht werden für die Saison. Wer seine Pflanzen im Herbst nicht zurückgeschnitten hat, ist aktuell am Schneiden, und auch das Ansäen beschäftigt die vielen Hobbygärtner bereits – obwohl die nächtlichen Minusgrade eine besondere Vorsicht empfehlen lassen. Für ein bisschen Mäßigung in all diesem Tun, etwas Wildheit im Garten, wirbt derweil die Projektleiterin der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel, Marlene Berger-Stöckl. Sie rät, den Privatgarten zum Naturparadies umzugestalten. Berger Stöckl verweist daher gerne an die Vorsitzende des Bund Naturschutz, Kreisgruppe Traunstein, Beate Rutkowski, die auch Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Artenschutz und Streuobst“ in der Ökomodellregion ist. Im Gespräch mit unserer Mitarbeiterin, Anneliese Caruso, gibt sie entsprechende Tipps, was es dabei zu beachten gilt.

Beate Rutkowski: Die ökologische Vielfalt ist dabei das oberste Ziel. Wer bewusst die Gestaltung seines Gartens angeht, kann mit kleinen Änderungen vieles für die Tiere erleichtern. Ein naturnaher Garten überzeugt mit natürlicher Ästhetik und hat zugleich einen ökologischen Wert. Wer seine grüne Oase in einen Naturgarten umwandelt, liegt damit voll im Trend – denn der lautet: Natürlich gärtnern. Gründe dafür gibt es viele. Studien zum Rückgang der Insektenfauna und der Vogelpopulationen belegen, wovor Naturschützer schon seit Jahren warnen: Mehr als 75 Prozent der Fluginsekten-Bestände sind zwischen 1989 und 2016 verschwunden.

Caruso: Ist das nicht eher ein Problem, mit dem sich die Land- und Forstwirtschaft auseinandersetzen sollte, auf die die meisten der knapp 300.000 Quadratkilometer an Vegetations-Fläche Deutschlands entfallen?

Beate Rutkowski: Jeder Einzelne von uns kann einen kleinen Teil dazu beitragen, dass sich etwas bessert – indem man den eigenen Garten naturnah gestaltet, weniger Fläche versiegelt und auf insektenfreundliche Pflanzen achtet. Aber nicht nur die Insekten danken es uns, wenn wir ihnen Lebens- und Nahrungsraum bieten, sondern auch Spinnentiere, Amphibien, Eidechsen und Blindschleichen oder Fledermäuse. Sie alle brauchen wir für Vielfalt und für ein natürliches Gleichgewicht, das spart auch viele Spritzmittel.

Caruso: Was ist denn die Besonderheit eines naturnahen Gartens?

Beate Rutkowski: Die Bepflanzung und auch die Ausstattung sollten gerade auch nach den Bedürfnissen der Tierwelt geplant werden: Zu empfehlen sind ein Gehölzsaum für Vögel, ein Steinhaufen oder eine Mauer für Eidechsen und nicht nur viele blühenden Beete, sondern auch ein paar ganz wilde Ecken aus heimischen Pflanzen, die nicht gemäht werden. Bis zum Herbst bilden sich dann hier die Winterquartiere etwa für die Igel oder für viele Insekten wie Schmetterlinge oder Florfliegen. Man kann beispielsweise Totholzhaufen oder Steinhaufen anlegen, die sich selbst überlassen bleiben sollten. Ein Hobbygärtner sollte aber bedenken, dass auch der naturnahe Garten ein bestimmtes Maß an Pflege benötigt. Ließe man den Garten einfach wachsen, bliebe am Ende nichts weiter übrig als ein von wenigen Pflanzenarten dominiertes Gestrüpp – sprich, das genaue Gegenteil eines artenreichen, üppig blühenden Paradieses.

Caruso: Können Sie uns konkrete Tipps geben?

Beate Rutkowski: Der naturnahe Garten soll ein Paradies für Insekten und Vögel sein. Das heißt, der ökologische Aspekt steht klar im Vordergrund. Damit möglichst viele Pflanzen- und Tierarten hier ihren Lebensraum finden, bedarf es gewisser Regeln und des richtigen Maßes an Pflege: Zum einen sollte man keine Chemie verwenden. Chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel haben in einem naturnahen Garten nichts verloren. Bei Bedarf kann man auf natürliche Präparate wie Hornspäne, Kompost und selbst hergestellte Brennnesseljauche zurückgreifen. Zudem empfiehlt es sich, anstatt auf hochgezüchtete, gefüllt blühende Gartensorten bei den Pflanzen auf wenig veränderte Sorten oder gleich auf Wildarten und Wildstauden zu setzen. Das heißt allerdings nicht, dass nicht auch ein paar fremdländische Arten dabei sein dürfen – sie haben zum Teil einen überraschend hohen ökologischen Wert und werden auch von der heimischen Insektenfauna als Pollen- und Nektarlieferanten gut angenommen.
Caruso: Wer den Garten bepflanzen möchte, braucht Blumen- und Pflanzerde. Viele Erden enthalten jedoch Torf aus Hochmooren – weil er Wasser besonders gut bindet und einen hohen Säuregrad besitzt.

Beate Rutkowski: Ein wichtiger Aspekt beim Gärtnern ist auch der Schutz unserer Moore, die als Kohlenstoffspeicher eine wichtige Rolle beim Klimaschutz spielen. Torf gehört also nicht in die Gartenerde, sondern ins Moor, denn aus zerstörten Moorflächen gasen große Mengen an Kohlenstoff in die Atmosphäre aus.

Caruso: Was mache ich mit dem Schnittgut von Bäumen und Sträuchern?

Beate Rutkowski: Abgeschnittene Äste und Zweige sowie Baumwurzeln verleihen dem wilden Garten nicht nur ein natürlicheres Aussehen, sie sind auch ideale Verstecke für kleine Tiere. Daher sollte man einen Totholzhaufen an einer ungestörten Stelle einfach liegenlassen, damit die Bewohner nicht gestört werden. Empfehlenswert ist natürlich auch das Kompostieren. Der gesamte Grünabfall im Garten eignet sich dafür. Man kann ihn als Dünger oder Boden-Verbesserer direkt vor Ort wieder einbringen. Laub kann man unter Sträuchern oder auf Beeten als Winterschutz liegen lassen, bis zum Frühjahr ist ein Großteil der Biomasse schon in Humus umgewandelt. Diese Kreislaufwirtschaft entlastet die Müllentsorger, versorgt die Pflanzen mit Nährstoffen und belebt das Bodenleben. Auf nackte Erde sollte man verzichten und darauf achten, dass der Boden im Garten wie in der Natur flächendeckend bewachsen ist – selbst für schwierige Standorte gibt es geeignete Bodendecker, die mit ihrem grünen Blätterkleid den Boden schützen und vielen Kleintieren einen Lebensraum bieten. Eine attraktive und unkomplizierte Lösung für Totholz ist ein Baumstumpen oder ein großes Stück Baumstamm, das im Garten verrotten darf. Hier kann man seiner Fantasie freien Lauf lassen und sich kreativ betätigen. Der Baumstamm sollte am besten in der Sonne stehen. Hat man einen guten Platz gefunden, treffen sich an ihm Arten wie die Blattschneidebiene, die Holzbiene oder die Pelzbiene über Jahre hinweg.

Caruso: Wozu ist das Anlegen einer Totholzhecke gut?

Beate Rutkowski: Eine Hecke aus Totholz eignet sich gut als Zaun oder Abtrennung und verleiht dem Garten einen urigen Bauerngarten-Charme. Diese Hecke lockt viele Insekten und Säugetiere an, die hier überwintern können. Sie schafft ein günstiges Kleinklima und versorgt den Boden mit Nährstoffen. Um eine Totholzhecke anzulegen, steckt man dicke Hölzer in einer Reihe in den Boden. Der Abstand ist abhängig von der Schnittgutlänge - ideal sind vier Meter Länge, kürzer geht aber auch. Eine zweite Reihe daneben fasst das Schnittgut ein und fixiert es. Ursprünglich pflanzte man heimische Gehölze zwischen die Äste, es geht aber auch ohne. Diesen Job übernehmen die Vögel. Jetzt kann man die Äste stapeln und nach Belieben erhöhen. Auch alte Stängel dienen als Lebensraum. Markhaltige Stängel wie die von Himbeere, Brombeere, Heckenrose und Schwarzem Holunder sind für Arten wie die Maskenbiene und die Schwarze oder die Blaue Keulenhornbiene geeignete Nistplätze. Wenn man diese im Garten hat, kann man sehr einfach eine Nisthilfe daraus machen. Einfach die Stängel in ein Meter lange Stücke schneiden und senkrecht an einen Zaun oder an einem anderen Ort befestigen. Die Eier und Larven sind meist fast ein Jahr im Stängel, daher müssen sie auch mindestens so lang hängen bleiben.

Caruso: Sollte der Gartenbesitzer die Wiese dem gepflegten Rasen vorziehen?

Beate Rutkowski: Eine gepflegte grüne Rasenfläche ist aus ökologischer Sicht nicht die beste Wahl. Wenn Sie im Garten auf solch eine trittfeste Nutzfläche verzichten können, sollten Sie stattdessen eine artenreiche Blumenwiese anlegen. Sie ist bei richtiger Bodenvorbereitung zudem wesentlich pflegeleichter.

Caruso: Wie wird die Blumenwiese dann gepflegt, damit sie eine Augenweide bleibt?

Beate Rutkowski: Wenn nicht nur einjährige, sondern auch mehrjährige Blühpflanzen wachsen, bietet so eine Blumenwiese einen sich immer wieder ändernden Blühaspekt. Eine zweimalige Mahd (etwa Mitte Juli und Ende September) sorgt für jahrelange Blütenpracht. Zwischendurch kann man auch mal in einem Jahr nur einmal mähen. Einige Randbereiche sollte man abwechselnd für die Überwinterung der Insekten stehen lassen. Gedüngt werden darf nicht, denn alle unsere seltenen Wiesenblumen wie Kornrade, Karthäusernelken oder Ackerwitwenblume vertragen nur sehr wenig Stickstoff.

Caruso: Warum sollte der Hobbygärtner auch an Nisthilfen für Vögel und Insekten denken?

Beate Rutkowski: Viele Vögel, Säugetiere und Insekten werden im naturnahen Garten schnell heimisch, wenn sie geeignete Nist- und Überwinterungsplätze finden. Installieren Sie daher an geeigneten Stellen Nistkästen, Insektenhotels, Ohrwurmquartiere, Igelhäuser und andere Behausungen. Davon profitiert auch der Gärtner, denn Fledermäuse jagen zum Beispiel Fliegen und Mücken und wer vielleicht Kohlmeisen im Garten hat, bekommt Unterstützung gegen Läuse, Gespinnstmotten oder gar den Buchsbaumzünsler.

Caruso: Was ist beim Anfertigen von Nisthilfen zu beachten? Auf was sollte man beim Kauf vorgefertigter Insektenhotels achten?

Beate Rutkowski: Für Nisthilfen gibt es viele gute Anleitungen im Internet. Gerade bei Vogelnistkästen sollte man auf eine ausreichende Größe achten, denn die Elterntiere landen lieber neben als auf den Jungvögeln. Das Holz muss natürlich unbehandelt sein. Ein gutes Insektenhotel zu bauen, ist eine kleine Wissenschaft für sich, wichtig sind geeignete Hölzer und andere Materialien und ein guter sonniger und regengeschützter Standort. Eine genaue Anleitung zum Selberbauen gibt es auf der Homepage des Bund Naturschutz www.traunstein.bund-naturschutz.de.

Und zum Schluss möchten wir noch wissen, welche Gemüsearten und welche Blumen in unserer Gegend besonders gut gedeihen.

Beate Rutkowski: Da ist die Auswahl riesengroß: Bohnen, Erbsen, Kohlarten, Salate, Mangold und Zwiebeln gelingen beispielsweise fast immer, vorausgesetzt man hält die Schnecken in Schach. Etwas geschützter, zum Beispiel an der Hauswand, mögen es Tomaten und Paprika. „Und meine Favoriten im Blumenbeet sind die schneckenresistenten Pfingstrosen und Rosen, daneben Fetthenne, Lavendel, Bartnelken oder Königskerzen. Diese Pflanzen sind nicht nur bei Insekten beliebt, sondern kommen auch mit der zunehmenden Trockenheit zurecht.“

Beate Rutkowski vom Bund Naturschutz ist sich ebenso wie Marlene Berger-Stöckl von der hiesigen Ökomodellregion sicher, dass die Menschen das Thema Artenvielfalt im eigenen Garten mehr und mehr ernst nehmen. Das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ war nur ein erster Schritt in die richtige Richtung, der in vielen Köpfen aber schon viel geschafft hat.

Verwandter Artikel: "Wie verändert der Klimawandel den heimischen Garten?"

Artikel von Anneliese Caruso, Chiemgau 24 vom 20.04.20
Vorherige Nachricht Nächste Nachricht